Emotionale Überforderung

Wenn soziale Interaktion belasten kann
Beruf oder Berufung? Viele Berufe stellen eine besondere Herausforderung dar – und sind gerade deshalb für viele ein Traumberuf. Neben körperlicher Arbeit und intellektuellen Leistungen stehen vor allem soziale Interaktionen im Vordergrund: Menschen helfen, beraten, behandeln, betreuen oder begleiten. Hier sind Empathie und Sensibilität gefragt.
Das macht den besonderen Reiz und die Sinnhaftigkeit der Tätigkeiten aus, ist aber auch gleichzeitig ein Risiko für die eigene Gesundheit. Denn diese Art von Arbeit kann emotionalen Stress auslösen, wenn die eigenen Gefühle auf der Strecke bleiben. Werden diese auf Dauer verdrängt, unterdrückt oder nicht verarbeitet, kann dies zu hohen psychischen Belastungen oder gar Erkrankungen führen.
Davon betroffen sind zum Beispiel Pflegekräfte in Altenpflegeeinrichtungen, Ärzte und medizinisches Personal in Krankenhäusern. Aber auch Callcenter-Agenten, die mit „schwierigen“ Kunden umgehen und negative Emotionen weglächeln müssen oder Triebwagenführer, die nach einem Unfall traumatisiert sind, können belastet sein. In all diesen Fällen, in denen Arbeit zur emotionalen Überforderung werden kann, brauchen Mitarbeitende besondere Unterstützung durch das Unternehmen.
Emotionaler Stress hat etwas mit unseren Gefühlen zu tun
Zwischenmenschliche Beziehungen können emotionale Überforderungen verursachen – vor allem dann, wenn man permanent auf Kosten der eigenen Gefühle auf die Gefühle anderer eingehen muss. Interaktionsstress kann so auf Dauer das seelische und körperliche Wohlbefinden beeinträchtigen mit entsprechenden negativen Folgen für die Leistungsfähigkeit, Arbeitszufriedenheit und Gesundheit. Denn emotionale Belastungen enden in der Regel nicht mit Dienstschluss. Sie beeinträchtigen in verstärktem Maße unser Privatleben und damit unsere Erholungszeit.
Folgende Faktoren können emotionale Überforderung auslösen bzw. verstärken:
- Hohe Identifikation: Menschen, die soziale Berufe ausüben, zeichnen sich in der Regel durch eine hohe Identifikation mit ihrem Beruf aus, sie ergreifen ihn oftmals aus ethischen Überzeugungen. Damit geht ein hoher Qualitätsanspruch an die eigene Arbeit einher. Wird dieser nicht eingelöst – zum Beispiel aufgrund von ungünstigen Rahmenbedingungen – kann dies zu Frust und Versagensängsten führen.
- Konfrontation mit Grenzsituationen: Die permanente Auseinandersetzung mit emotional schwierigen Situationen erfordert eine besondere Einstellung. Aber auch bei anderen Tätigkeiten mit und für Menschen kann es belastende Momente geben. Hier ist es wichtig, sich in die Befindlichkeiten der Menschen hineindenken zu können, aber auch, sich davon abzugrenzen.
- Beziehungsstress: Wenn die Beziehung zu anderen Menschen im Mittelpunkt der Arbeit steht, laufen die eigenen Gefühle Gefahr, auf der Strecke zu bleiben, denn oftmals darf man diese nicht offen zeigen. So können durch zwischenmenschliche Konflikte oder Ablehnung durch andere Menschen negative Gefühle entstehen, die unterdrückt werden. Das löst emotionalen Stress aus.
- Zunehmende „Emotionsarbeit“: Der Kunde ist König – Serviceorientierung wird gerade in den Dienstleistungsbranchen immer wichtiger. Wenn Verkaufsinhalte und Produkte sich mehr und mehr gleichen, werden der Umgang mit dem Kunden, die Steigerung seiner Zufriedenheit und seine Bindung an Produkt oder Unternehmen zum potenziellen Wettbewerbsvorteil. Personenbezogene Dienstleistungen können emotionale Arbeit bedeuten und sind damit potenzielle Stressauslöser.
- Traumatische Erlebnisse: Im Gegensatz zur permanenten emotionalen Belastung in den sozialen Berufen gibt es Jobs, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, durch ein plötzliches Ereignis, wie zum Beispiel einen Unfall, traumatisiert zu werden. Betroffen sind zum Beispiel Mitarbeitende in Verkehrsunternehmen. Ebenso betroffen sind Rettungskräfte oder Feuerwehrleute, die Unfallopfer versorgen müssen.
- Gewalterfahrungen am Arbeitsplatz: Erlebnisse, bei denen man Gewalt durch Dritte erfährt, können auch traumatisieren und zu psychischen Beeinträchtigungen führen. So entstehen emotional unangenehme Situationen, wenn man verbal beschimpft oder bedroht wird. Ein erhöhtes Risiko haben Berufsgruppen mit Publikumsverkehr, wie zum Beispiel Beschäftigte in der Gastronomie, Kontrolleure, Taxifahrer oder das Kassenpersonal von Supermärkten oder Tankstellen.
- Stress zu Hause: Zu den oben genannten Belastungsfaktoren kommen die emotionalen Belastungen des Privatlebens hinzu, die nicht getrennt von der Arbeit betrachtet werden können. Vor allem, wenn sich belastende Lebenssituationen häufen, wie zum Beispiel der Tod naher Angehöriger, finanzielle Sorgen, häufige Wechsel des Wohnsitzes oder eine Scheidung, hebt das den Stresspegel und erhöht das Krankheitsrisiko.
Nur wenn Mitarbeitende als ganzheitliche Persönlichkeiten wahrgenommen werden, können sie bei emotionalen Überforderungen wirkungsvoll unterstützt werden. Bei Berufsgruppen mit erhöhtem Risiko für emotionalen Stress sollten Unternehmen, ein vorausschauendes „Risikomanagement“ betreiben und klar auf Prävention setzen.