Wir wollen Hilfe anbieten können, wenn Mitarbeiter sie brauchen

Interview mit Katja Manderscheid, Betriebliches Gesundheitsmanagement Schenker Deutschland AG

Die Schenker Deutschland AG ist Teil des international tätigen Logistikkonzerns DB Schenker. Das in Frankfurt am Main ansässige Unternehmen beschäftigt rund 15.800 Mitarbeitende an mehr als 100 Standorten in ganz Deutschland und ist nach eigener Aussage der führende Anbieter für integrierte Logistik auf dem deutschen Markt. Anders als etwa bei der Deutsche Post AG dreht sich das Kerngeschäft der Schenker Deutschland AG weniger um den Paket- und Versandhandel, als um die Beförderung großer Güter per LKW, auf der Schiene, Schiff oder mit dem Flugzeug.

Die Logistikbranche hat sich stark gewandelt und ist immens facettenreich. Welche Belastungen beobachten Sie in der Branche?

KM: In der Logistikbranche wird im gewerblichen Bereich häufig im rotierendem Schichtsystem gearbeitet. Das kann bei Mitarbeitenden zu Belastungen führen. Aber auch die Anforderungen sind gestiegen. Heute muss ein Disponent im Lager auch am Computer arbeiten und zum Beispiel den gesamten Warenfluss für eine LKW-Ladung organisieren. Das bedeutet, dass er dafür verantwortlich ist, wann eine bestimmte Sendung bei unserem Kunden ist. Das ist sicherlich für manche Mitarbeiter ein hoher Druck. Wenn dann noch etwas Unvorhergesehenes passiert, ein Unfall oder im Winter Schneechaos, dann erhöht sich die Belastung natürlich noch einmal. Diese Faktoren lassen sich auf viele andere Unternehmen in der Branche übertragen. Im Bezug auf psychische Belastungen kann man aber sagen, dass sie in allen Unternehmensteilen gleichermaßen auftreten. Der zunehmende Wettbewerb in der Logistikbranche hat in den letzten Jahren den Ergebnisdruck auf allen Ebenen erhöht.

Was war für die Schenker Deutschland AG der Anlass, sich mit dem Thema psychische Gesundheit zu beschäftigen?

KM: Vor etwa drei Jahren haben wir von unseren Mitarbeitern, Betriebsräten und Führungskräften immer häufiger die Rückmeldung bekommen, dass Mitarbeitende auf Grund psychischer Erkrankungen arbeitsunfähig sind. Unter den Krankgeschriebenen waren sowohl Mitarbeitende, als auch Führungskräfte. Wir haben erkannt, dass wir gegensteuern müssen. Der Anlass, sich für psychische Gesundheit zu entscheiden, kam auf Anregung des Teams Gesundheit, dem Gesundheitszirkel der Schenker Deutschland AG, zustande. Und entsprechend haben wir dann verschiedene Maßnahmen gestartet und besonders die psychische Gesundheit in den Fokus gerückt.

Wie haben Sie auf diese Herausforderung reagiert? Welche Maßnahmen haben Sie entwickelt?

KM: Wir arbeiten auf verschiedenen Ebenen: Weil wir unterschiedlichste Anforderungen haben, entwickeln wir individuelle Angebote für unsere Mitarbeitenden. Momentan findet bei uns das Themenjahr zur psychischen Gesundheit statt. In diesem Rahmen bieten wir verschiedene Veranstaltungen an, die von Standorten oder auch von einzelnen Abteilungen gebucht werden können. Außerdem besteht für unsere Standorte grundsätzlich die Möglichkeit, einen eigenen „Gesundheitstag“ zu veranstalten. Dabei dreht sich alles um die psychische Gesundheit. Wir arbeiten mit mehreren externen Gesundheitsdienstleistern zusammen, die Gesundheitstage mit unterschiedlichen Schwerpunkten anbieten. Medizinische Check-Ups werden ebenso angeboten, wie Workshops und Aktionseinheiten zur Stresstypbestimmung. Für die Mitarbeitenden gibt es beispielsweise Informationen zu Entspannungstechniken, die auch am Arbeitsplatz durchgeführt werden können. 8 bis 9 verschiedene Module können je nach Anforderungen individuell zusammengestellt werden.

Außerdem arbeiten wir mit einem Netzwerk von externen Ärzten, Therapeuten und Psychologen zusammen, die im konkreten Fall unterstützen können. Teil unseres Seminarangebots im betrieblichen Gesundheitsmanagement ist das Seminar „Fit im Job“. Das können Mitarbeitende individuell und unabhängig von ihrem Standort besuchen. Ziel ist eine persönliche Analyse in Sachen psychischer und physischer Gesundheit. Der Mitarbeitende erstellt im Seminar ein Profil zur eigenen Belastungssituation. Auf dieser Basis werden gemeinsam Strategien erarbeitet, wie er mit den Belastungen besser umgehen kann, zum Beispiel durch ein anderes Zeitmanagement. Anschließend wird ein individuelles Umsetzungsprogramm erarbeitet, bei dem persönliche Ziele definiert und Schritte festgelegt werden, um diese Ziele zu erreichen. Das Seminar kommt gut an, die Nachfrage ist hoch.

Sie haben betont, dass das Thema Diversität Ihre Herausforderung bei der Entwicklung passgenauer Angebote ist. Wie kommunizieren Sie das Thema psychische Gesundheit vor diesem Hintergrund?

KM: Da haben wir unterschiedliche Wege auf Grund der dezentralen Struktur unseres Unternehmens. Wir bedienen regelmäßig E-Mail-Verteiler an alle Führungskräfte, aber wenden uns auch direkt an die Betriebsräte, die in die Kommunikation des Themas aktiv eingebunden werden. An jedem Standort gibt es auch einen Gesundheitsbeauftragten und Arbeitsschutzbeauftragten, die quasi von Berufswegen das Thema im Standort auf die Agenda setzen. Unsere Mitarbeiterzeitung und jährliche, persönliche Anschreiben an jeden Mitarbeitenden sind ebenfalls wichtige Kanäle für unsere Arbeit. Alle Standorte, die einen Gesundheitstag durchführen, werden mit Informationsmaterial zum Thema unterstützt.

Welche Voraussetzungen halten Sie für wichtig, damit psychische Gesundheit als Thema im Unternehmen wahrgenommen wird?

KM: Wir haben gelernt, dass man bei der Unternehmensleitung beginnen und dort um Verständnis für das Thema werben muss. Denn für alle Maßnahmen, die man gerne umsetzen möchte, müssen die nötigen Ressourcen bereitgestellt werden. Und ohne die Unterstützung der Unternehmensleitung kann man die Maßnahmen auch nicht von oben nach unten durchsetzen. Deshalb sind die Führungskräfte die zweite wichtige Gruppe im Unternehmen, die man an Bord holen sollte. Und wir haben gemerkt: Man sollte die Mitarbeitenden in ihren Bedürfnissen ernst nehmen und ihnen Hilfestellung anbieten, wenn sie nachgefragt wird. Wenn das innerhalb des Unternehmens nicht zu leisten ist, dann notfalls auch durch externe Unterstützung.

Wie sieht Ihre Planung zur weiteren Förderung der psychischen Gesundheit aus?

KM: Wir arbeiten derzeit in den letzten Zügen an einem Employee-Assistant-Programm (EAP) in Form einer kostenlosen Hotline, bei der Mitarbeitende sich melden können, wenn eine akute Belastung eintritt. Hier können alle anrufen – Suizidgefährdete, Führungskräfte oder auch Mitarbeitende mit sozialen oder psychischen Problemen. Aus dem ersten Hotline-Gespräch soll dann ein Kurzkontakt mit bis zu 5 Gesprächseinheiten folgen. Ziel ist es, das Anliegen zu klären und konkret Hilfe anzubieten. Oder einen Lotsendienst miteinzubinden, der die Beratung übernimmt. Dies ist für uns ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer umfassenden Förderung der Gesundheit unserer Beschäftigten.