Veränderungen im Unternehmen konstruktiv begleiten
Interview mit Frau Dr. Anja Aldenhoff, betriebliches Gesundheits- und Sozialmanagement HSH Nordbank, Hamburg/Kiel
Die HSH Nordbank AG ist am 2. Juni 2003 aus der Fusion der Hamburgischen Landesbank mit der Landesbank Schleswig-Holstein hervorgegangen. Die beiden Hauptsitze der Bank sind in Kiel und Hamburg. Vor allem im Norden Deutschlands setzt die HSH Nordbank auf das Geschäft mit Firmenkunden, Immobilienkunden sowie auf die Kunden des gehobenen Private Banking und auf die Sparkassen. International stehen Unternehmerkunden der Bereiche Shipping sowie Energy & Infrastructure im Fokus. Weltweit beschäftigt die Bank rund 3.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Seit Beginn der Finanzkrise 2008 gab es eine Reihe von massiven Einschnitten. Die EU-Kommission verordnete der Bank einen harten Sparkurs. Während der Finanzkrise hatte die Bank umfangreiche Staatshilfen erhalten – darauf folgten strenge Auflagen, die einen deutlichen Personalabbau zur Folge hatten. Die Bank hat ein umfangreiches Programm zur Gesundheitsprävention aufgestellt, um die Belastung für die Mitarbeiter zu begrenzen. Ein Fokus liegt dabei auf der Schulung von Führungskräften, denn diese tragen eine enorme Verantwortung im Prozess.
Frau Dr. Aldenhoff, die HSH Nordbank hatte in der Vergangenheit immer wieder mit Veränderungen im Unternehmen zu kämpfen. Seit 2008 verloren von Ihren 4.500 Mitarbeitern etwa ein Drittel ihren Arbeitsplatz. Nun steht ein weiterer Personalabbau an. Wie verkraftet das ein Unternehmen?
AA: Die Situation ist für uns alle sehr unerfreulich und zugleich eine große Herausforderung. Wir möchten, dass der Personalabbau fair und transparent umgesetzt wird. Jeder, der davon betroffen ist, soll unsere volle und ganze Unterstützung erhalten. Und auch diejenigen, die weiter in der Bank arbeiten werden, sollen dies als starke, selbstbewusste Mitarbeiter tun können, die an die Zukunft unseres Unternehmens glauben.
Bereits sehr früh haben wir im betrieblichen Gesundheits- und Sozialmanagement diese Umbruchsituation erkannt und im ersten Schritt eine EU-geförderte multizentrische Studie über die Situation der Mitarbeiter durchgeführt. Die anonyme Befragung ergab neben positiven Werten, beispielsweise im Bereich der sozialen Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte, auch negative Veränderungen. So haben viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Wahrnehmung, dass sich die Unternehmenskultur seit Beginn der Finanzkrise verschlechtert hat – natürlich auch durch den seitdem stattfindenden Personalabbau.
Wie reagierten Sie auf diese Erkenntnisse in Bezug auf die Unternehmenskultur?
AA: Für die Gestaltung der Unternehmenskultur sind die Führungskräfte von großer Bedeutung. Daher sind sie eine wichtige Zielgruppe für Maßnahmen des Gesundheitsmanagements. An diesem Punkt wird facettenreich angesetzt: Im Rahmen der sehr umfänglichen Personalentwicklung wurden alle Führungskräfte, die in der Bank tätig sind, umfassend zu allen Themen von Mitarbeiterführung geschult. Außerdem wurden spezielle Workshops entwickelt, in denen die Führungskräfte in erster Linie das Rüstzeug für die aktuelle Situation erhalten.
Denn besonders für die Führungskräfte stellt der gegenwärtige Prozess eine hohe psychische Belastung dar: Einerseits müssen sie befähigt werden, in großem Umfang den Personalabbau umzusetzen, andererseits sind auch ihr Arbeitsplatz und ihre Position nicht in Stein gemeißelt. Neben dem Umgang mit betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen sie außerdem die Teams zusammen halten und die nicht geringe Arbeitslast bewältigen, die notwendig ist, um die Neuausrichtung der HSH Nordbank als Bank für Unternehmer zu gestalten.
Schulungen für die Führungsriege sind ein Schritt in die richtige Richtung. Was ist jedoch mit den Mitarbeitern aus anderen Hierarchieebenen?
AA: Wir haben auch auf Teamebene angesetzt. Denn häufig wird übersehen, dass eine betriebliche Situation, die von Personalabbau geprägt ist, nicht nur diejenigen belastet, die gehen müssen, sondern auch diejenigen, die ihren Arbeitsplatz behalten. Der Umgang mit Krisen ist für die meisten eine enorme Herausforderung, hier leisten wir Unterstützung. In den bislang dafür konzipierten rund 30 Workshops geht es darum, die anstehenden Veränderungen konstruktiv zu bewältigen und im Team einen gemeinsamen Verhaltenskodex zu erarbeiten.
Ist gesundheitliche Prävention bei Ihnen erst im Zuge des betrieblichen Wandels ein Thema geworden?
AA: Nein, das Thema Gesundheit und damit auch psychische Gesundheit ist bei uns seit vielen Jahren Thema. Die psychische Widerstandsfähigkeit jedes Menschen, auch Resilienz genannt, galt früher als angeboren. Heute zeigen Forschungsergebnisse, dass man Resilienz auch erlernen und verbessern kann. Eine gute Resilienz ist wichtig, um in Veränderungsprozessen, beispielsweise in einem Unternehmen, gesund und leistungsfähig zu bleiben. Unsere Studie hat ergeben, dass die Resilienz unserer Mitarbeiter zwar schon vergleichsweise hoch ist. Diese Resilienz zu stärken und weiter auszubauen, ist dennoch eine wichtige zukünftige Aufgabe.
Denn für uns sind unsere Mitarbeiter nicht in erster Linie Kostenfaktoren, sondern menschliche Ressourcen. Eine große Studie aus dem Jahr 2007, in der man mehr als 3000 Mitarbeiter von verschiedenen Unternehmen befragt hat, hat gezeigt, dass bis zu 30 Prozent des finanziellen Unternehmenserfolges von der Motivation der Mitarbeiter abhängt. Wenn dieses Potenzial brach liegt, dann hat das Unternehmen ein Problem.
Was genau tun sie, um die Motivation Ihrer Mitarbeiter und deren Resilienz zu steigern?
AA: Anhand der Ergebnisse unserer Studie haben wir ein spezielles Workshop-Konzept zur Steigerung der Resilienz entwickelt, das wir jetzt bankweit einführen. Außerdem haben wir eine Vielzahl von Angeboten für jeden einzelnen Mitarbeiter, in denen es um Themen wie Entspannung, Work-Life-Balance und individuelle Stressbewältigung geht. An diesen können die Kolleginnen und Kollegen kostenfrei während ihrer Arbeitszeit teilnehmen.
Auch das Thema Work-Life-Balance halten wir für wichtig und bemühen uns darum, lebenspraktische Unterstützung für unsere Mitarbeiter zu ermöglichen. So bieten wir Unterstützung in Krisensituationen an, kümmern uns beispielsweise um Kinderbetreuungsplätze. Falls ein Mitarbeiter sein Kind mal mit zur Arbeit bringen muss, kann er sich am Empfang eine Kinderkiste mit Spielzeug ausleihen. Zur Zeit kümmern wir uns auch verstärkt um die Betreuung von pflegebedürftigen Familienmitgliedern unserer Angestellten. Mit Unterstützung eines externen Anbieters helfen wir, passende Pflegeeinrichtungen und Betreuungsmöglichkeiten für Angehörige zu finden.
Das sind alles sehr alltagspraktische Hilfsmaßnahmen. Was bieten Sie an, wenn Mitarbeiter unter Stress oder Überlastung am Arbeitsplatz leiden – gerade jetzt in dieser kritischen Phase?
AA: Auch darauf sind wir eingestellt: Wir beschäftigen seit mehreren Jahren eine externe betriebliche Sozialberatung. Extern deshalb, damit die betroffenen Mitarbeiter nicht in einen Interessenskonflikt mit dem Arbeitgeber geraten. So können sie in einem geschützten Rahmen Hilfe erhalten. Daneben haben wir ein umfangreiches Vorsorgeprogramm aufgelegt. Mit Workshops wie „Sicher gegen Stress“, Entspannungsviertelstunden, Achtsamkeitsübungen, Autogenem Training und thematischen Vorträgen helfen wir Mitarbeitern dabei, bewusst mit sich selbst umzugehen.
Zur Zeit steht das Thema Personalabbau ganz weit oben auf der betrieblichen Agenda. Wie gelingt es Ihnen, die gesundheitliche, insbesondere emotionale Belastung der Mitarbeiter abzufedern?
AA: Die Bank bemüht sich, den Mitarbeitern, die gehen müssen, eine berufliche Perspektive aufzuzeigen. Schon seit Anfang des Jahres hat jeder Anspruch auf ein Neu-Orientierungsgespräch anhand seines Lebenslaufs. Diejenigen, die das Unternehmen verlassen, erhalten eine New-Placement-Beratung und Zugang zu nichtöffentlichen Stellenportalen in der Region. Darüber hinaus haben wir ein Informationscenter eingerichtet, in denen man sich prozessbegleitend beraten lassen kann. Kolleginnen und Kollegen, die mit der Situation schwer zurechtkommen und psychisch stark belastet sind, können im Rahmen unserer Sozialberatung individuelle Gespräche führen.
Zu guter Letzt: Was ist für Sie eine Herzensangelegenheit?
AA: Vor allen Zahlen und Zwängen steht in meinen Augen immer der Mensch. Grundwerte wie Sinnhaftigkeit und Motivation sind für mich von hoher Bedeutung, damit Menschen psychisch gesund bleiben können. Jeder von uns hat das Bedürfnis nach Transparenz, Gerechtigkeit und Beteiligung – auch im beruflichen Kontext. Wir können die jetzige betriebliche Personalabbausituation nicht verändern, aber wir können die Kraft unserer Mitarbeiter so weit wie möglich stärken, damit sie dieser Situation standhalten können. Das umzusetzen ist kein Hexenwerk und verschlingt auch keine Unsummen, wenn man sich auf menschliche Grundwerte besinnt und jeden Menschen in seiner Ganzheit sieht.