„Wenn man den Mitarbeitenden zuhört und sie in ihren Bedürfnissen ernst nimmt, kann man schon viel bewegen.“
Interview mit Petra Schreiner, Leiterin Care Management, Human Resources, Hager Group, Blieskastel
Die Hager Group ist als unabhängiges, inhabergeführtes Unternehmen führender Anbieter von Lösungen und Dienstleistungen für elektrotechnische Installationen in Wohn-, Industrie- und Gewerbeimmobilien. Das Leistungsspektrum reicht von der Energieverteilung über die Leitungsführung und Sicherheitstechnik bis zur intelligenten Gebäudesteuerung. In Deutschland arbeiten 3.300 Menschen für die Hager Group. Der Vertrieb der Hager Group ist dezentral in verschiedenen, unterschiedlich großen Standorten organisiert.
Unterschiedliche Arbeitsprofile, dezentrale Standortstruktur – wie schaffen Sie es bei diesen Herausforderungen dem Thema Work-Life-Balance eine hohe Priorität einzuräumen?
PS: Uns ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig. Wir möchten unsere Beschäftigten in diesem Bereich unterstützen und entlasten. Einen Schwerpunkt haben wir auf die Kinderbetreuung gelegt. Seit 2008 kooperiert die Hager Group mit Kindergärten in der Nähe zweier größerer Standorte. Außerdem bieten wir Ferienangebote im Rahmen unseres Programms „Hager Family“ an. Für ältere Kinder bieten wir einen firmeninternen Jugendaustausch an. Dabei treffen sich 12- bis 16-Jährige mit anderen Mitarbeiterkindern aus ganz Europa. Und seit 2010 gibt es die „Hager MiKids“, eine Tagesbetreuung für Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren an den Standorten in der Pfalz und im Saarland.
Außerdem spielt die Arbeitszeitgestaltung bei uns eine wichtige Rolle. Wir versuchen, unseren Beschäftigten soweit wie möglich entgegen zu kommen – das ist natürlich abhängig vom jeweiligen Einsatzort im Unternehmen. Wir bieten die „Klassiker“ Gleitzeit und Teilzeit an. Im Schichtbetrieb, der vor allem im Produktions- und Logistikbereich vorkommt, sind diese Modelle schwieriger zu realisieren. Aber auch hier bemühen wir uns, für jeden eine passende Lösung zu finden. So gibt es Beschäftigte, die beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nur Tagesschichten arbeiten. Im Vertrieb lassen sich flexible Arbeitszeiten bislang besser umsetzen, weil es sich dort mehrheitlich um Büroarbeitsplätze handelt.
Sie haben die Unterschiede in den verschiedenen Einsatzbereichen (z.B. Logistik oder Vertrieb) erwähnt. Welche Belastungen können dort auftreten?
PS: Unsere Außendienstmitarbeiter sind tagtäglich unterwegs um Termine bei Großhandel und mit Handwerksbetrieben wahrnehmen. Sie haben dadurch weniger Kontakt zu Kollegen, wie das bei Beschäftigten im Büro oder der Produktion der Fall wäre. Dieser soziale Austausch fehlt manchen Mitarbeitenden. Darüber hinaus müssen sie sehr selbstständig und eigenverantwortlich handeln. Ihr Arbeitsalltag sieht oft so aus, dass sie unter Zeitdruck von einem Kunden zum nächsten fahren müssen.
In der Logistik gibt es andere mögliche Belastungsfaktoren, vor allem die Schichtarbeit. Viele Beschäftigte arbeiten in Nachtschichten, außerdem kann es an den Arbeitsplätzen in den Lager- und Auslieferungsbereichen auch kalt und zugig sein. Früher gab es Beschäftigte, die nur Nachtschicht gearbeitet haben. Das haben wir bereits vor einiger Zeit abgeschafft. Um diese Mitarbeitenden besser in den Produktionsprozess zu integrieren, haben wir Qualifizierungsmaßnahmen gestartet.
Wie sehen – vor dem Hintergrund der genannten Belastungsfaktoren – Ihre Maßnahmen im Bereich der psychischen Gesundheit aus? Wie unterstützen Sie Ihre Mitarbeitenden?
PS: Bislang haben wir noch keinen signifikanten Anstieg bei Krankschreibungen auf Grund psychischer Erkrankungen erkennen können. Trotzdem nehmen wir das Thema sehr ernst. Wir setzen dabei auf Information und Prävention bei Führungskräften und Mitarbeitenden.
Ein Beispiel für unsere Strategie von Information und Prävention ist eine Veranstaltung für Führungskräfte von 2012 aus dem letzten Jahr. „Was tue ich, wenn mein Mitarbeiter mir sagt, er nimmt Psychopharmaka? Kann ich den noch Stapler fahren lassen?“, waren häufige Fragen. Da wurde dieses bisher eher abstrakte Thema auf einmal ganz praktisch. Wir haben ganz klar gesagt, dass Führungskräfte keinen Therapeuten ersetzen können. Unterstützungsmaßnahmen sollen und müssen auch von außen kommen. Deshalb arbeiten wir in diesem Feld mit Experten zusammen. Unsere Führungskräfte sind ebenfalls eine wichtige Zielgruppe. Wir haben auf Basis einer Konzernbetriebsvereinbarung das Thema Sucht für Führungskräfte verpflichtend gemacht und kümmern uns um die Gesundheit der Führungskräfte bei regelmäßigen Check-Ups. Denn wer sich selbst im Blick behält, schaut auch bei den Kollegen genauer hin. Im Rahmen von allgemeinen Präventionsprogrammen erarbeiten die Mitarbeiter gemeinsam mit Ärzten individuelle Risikoprofile zum Thema Stress. Dabei richten wir uns überwiegend an Führungskräfte über 40.
Wie kommunizieren Sie Ihre Maßnahmen vor dem Hintergrund der dezentralen Unternehmensstruktur?
PS: Dafür müssen wir immer wieder neue Wege gehen. 2011 haben wir erstmals eine weltweite allgemeine Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Sie beinhaltete auch Fragen zum Wohlbefinden unserer Beschäftigten. In der Folge wurden dann sogenannte Round-Tables angesetzt, bei denen diverse Themen (u.a. das Thema Stress am Arbeitsplatz) mit Führungskräften, Mitarbeitern, Betriebsräten und Geschäftsleitung besprochen wurden.
Bei einer großen Messe in Frankfurt am Main 2014 gibt es für unsere Beschäftigten aus den Vertriebsstandorten am Firmenmessestand wieder die Möglichkeit, sich in einem Nebenraum massieren zu lassen. Das ist unser mobiles Gesundheitsprogramm, denn viele der Beschäftigten am Messestand sind sonst nur im Außendienst unterwegs und können unsere Angebote kaum bis gar nicht nutzen. Wir bieten unseren Beschäftigten außerdem an, während der Messe eine Therme in Frankfurt zu besuchen, das Eintrittsgeld kommt dann von uns. Dieses Angebot hat sich im Laufe der letzten Messen so entwickelt und etabliert. Wir nutzen darüber hinaus Aushänge, wir machen Handzettel für Kantine und Pforte und wir sprechen die Führungskräfte auch direkt an, um ihre Rolle als Multiplikatoren zu stärken.
Was raten Sie nach Ihren bisherigen Erfahrungen anderen Unternehmen in Sachen psychische Gesundheit?
PS: Ich empfehle, die Mitarbeitenden zu beobachten und in den aktiven Austausch mit ihnen zu gehen. Denn wenn man zuhört und mit ihnen in einen ehrlichen Dialog tritt, kann man schon viel bewegen, ohne im Unternehmen ein kostspieliges und aufwendiges Gesundheitsmanagement zu installieren. Wenn die Mitarbeitenden eingebunden werden und sehen, dass ihre Meinung berücksichtigt wird, nehmen sie die Angebote auch an. Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg ist, dass die Geschäftsleitung hinter den angestoßenen Maßnahmen steht und dies möglichst auch durch die aktive Teilnahme demonstriert.