„Helfen statt kündigen lohnt sich!“

Interview mit Frank Schlaak, Leiter der Fachstelle für Suchtvorbeugung Dortmund

Herr Schlaak, warum sollten sich KMU mit dem Thema Sucht auseinandersetzen?

FS: Gerade in vielen kleineren Unternehmen herrscht oft die Meinung, dass Sucht sie nichts angeht. Leider wird das Thema erst dann interessant, wenn infolge des Konsums von Suchtmitteln ein negativer Vorfall im Betrieb passiert ist, meistens nach Alkoholmissbrauch. Aber: Die Schäden, die durch übermäßigen oder riskanten Konsum von Suchtmitteln oder durch Abhängigkeiten entstehen, sind gerade auch für kleinere und mittlere Unternehmen mit dünnerer Personaldecke beträchtlich. Hier gibt es noch viel zu verbessern.

Alkohol verursacht die meisten Probleme?

FS: Alkohol steht in der Tat an erster Stelle. Das ist unabhängig von der Betriebsgröße und genauso wie in der Gesellschaft auch. Daneben stellt der Nichtraucherschutz eine weitere große Herausforderung für Betriebe dar. Zahlenmäßig weniger relevant ist demgegenüber der Konsum illegaler Drogen, darunter Haschisch, Marihuana und Amphetamine, teilweise sogar auch Kokain.

Wie sollten Vorgesetzte Sucht gegenüber der Belegschaft thematisieren?

Als Chefin oder Chef würde ich das auf zwei Wegen versuchen: zum einen ganz offensiv Informationen zum Thema Sucht einholen und beispielsweise einen internen Arbeitskreis dazu gründen, in dem Personalverantwortliche, aber auch Personen aus der Mitarbeitervertretung sitzen. Ich würde mich auch an anderen Betrieben orientieren und dort nachfragen, wie sie damit umgegangen sind. Denn gerade für kleinere Unternehmen ist es wichtig und hilfreich, bei der Suchtproblematik nicht alleine zu agieren, sondern in einem Netzwerk eingebunden zu sein. Zum anderen müssen Vorgesetzte auf einen Suchtverdacht im Betrieb natürlich reagieren.

Häufiges Zuspätkommen oder Auffälligkeiten am Arbeitsplatz können Anlass für ein vertrauliches Fürsorgegespräch und in der Folge ein Klärungsgespräch mit der betroffenen Person sein. Diese lade ich dazu natürlich nur dann ein, wenn ich mich zuvor rückversichert habe, dass der Verdacht begründet und womöglich ein Risiko am Arbeitsplatz entstanden ist oder eine Gesundheitsgefährdung der Person vorliegt.

Ein guter Ansatz ist es, über nicht bewältigten Stress zu sprechen. Denn Betroffene versuchen ja gerade, diesen abzubauen, indem sie Drogen oder Medikamente nehmen. Darüber sind sie dann auch schnell bei der Suchtprävention.

Welche Maßnahmen sind am hilfreichsten bei der betrieblichen Suchtprävention?

FS: Suchtprävention funktioniert oft gut, wenn sie im Rahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung eingebettet wird. Wenn die Belegschaft erkennt, dass dem Unternehmen etwas an der physischen und psychischen Gesundheit des Personals liegt, dann ist schnell auch das Interesse und Engagement der Mitarbeitenden an dieser Thematik geweckt. Sie öffnen sich leichter Fragen, wie sie mit Bewegung, Ernährung oder psychischen Problemen umgehen, und sprechen dann zugleich auch eher über Suchtthemen, die ja viele als ‚unappetitlich’ empfinden. Ein guter Ansatz ist es, über nicht bewältigten Stress zu sprechen. Denn Betroffene versuchen ja gerade, diesen abzubauen, indem sie Drogen oder Medikamente nehmen. Darüber sind sie dann auch schnell bei der Suchtprävention.

Welches ist die größte Herausforderung für KMU, um Suchtprävention anzubieten?

FS: Bei Kleinunternehmen ist es natürlich schwieriger, Personen aus der Belegschaft freizustellen, um zum Beispiel Vorbeugeprogramme durchzuführen. Vielleicht reicht es bei einem sehr kleinen Betrieb ja auch schon aus, zunächst einmal ein etwas abgespeckteres Programm zu installieren. Diejenigen, die diese Aufgabe schließlich übernehmen sollen, argumentieren oft, dass sie viel zu wenig Zeit hätten und nicht wüssten, wie sie als betriebliche Ansprechpartnerin oder ­partner für Suchtfragen, dann auch noch ihre eigentliche Arbeit bewältigen sollen. Umso wichtiger ist es, Expertinnen und Experten mit ins Boot zu holen und – wenn diesbezüglich noch nichts Vergleichbares in der Region besteht – ein Netzwerk aufzubauen. Denn nur hier können die richtigen Informationen schnell fließen und es bestehen Kontakte zu ähnlich arbeitenden und denkenden Menschen. Mögliche Bündnispartner sind zum Beispiel die örtliche Suchtberatung, die Selbsthilfe wie die anonymen Alkoholiker, Betriebsärztinnen bzw. Betriebsärzte, die IHK oder auch die Handwerkskammern.

Sie leiten in Dortmund den Arbeitskreis Suchtgefahren im Betrieb, der bereits seit 1992 existiert und in dem sich Betriebszugehörige, aber auch diverse Mitarbeitende aus Beratung, Selbsthilfe und dem Gesundheitswesen organisiert haben. Was ist in Ihren Augen die wichtigste Erkenntnis, die Sie bisher gewonnen haben?

FS: Das ist für mich der Grundsatz: Helfen statt kündigen lohnt sich! Zudem ist es wichtig, Suchtprobleme und Möglichkeiten der Suchtprävention im Betrieb offen zu kommunizieren. Es macht auch Sinn, individuelle Lösungen anzubieten wie Raucherentwöhnungs­ oder Trinkreduzierungsprogramme. Viele reagieren positiv darauf und sagen: „Ich wollte ohnehin damit aufhören“, oder „Mein Arzt hat mir ja auch schon wegen meiner Gesundheit dazu geraten“