„Keine Entscheidungen am grünen Tisch“ - wie es gelingt, Mitarbeiter einzubinden

Interview mit Klaus Falinski, kaufmännischer Leiter Logistik bei der Carlsberg Deutschland Logistik GmbH, Hamburg

Klaus Falinski ist seit 1996 bei der Holsten-Brauerei AG tätig, die seit 2004 zur internationalen Carlsberg Gruppe gehört. Seit 2011 ist er kaufmännischer Leiter der Carlsberg Deutschland Logistik GmbH. Er ist für mehr als 120 Mitarbeiter in der Deutschland-Logistik verantwortlich und berät die Carlsberg Gruppe europaweit in Fragen der Lagerlogistik und -organisation sowie Arbeitssicherheit.

Seit Jahren ist der Bier-Konsum rückläufig und das Unternehmen muss deshalb flexibel auf die sich verändernden Marktbedingungen reagieren. Das bringt teilweise Umstrukturierungsmaßnahmen mit sich, die auch von den Mitarbeitern getragen werden müssen. Aber auch der demografische Wandel erfordert ein Umdenken in den Führungsetagen: Was tun bei einer alternden Belegschaft?

Herr Falinski, der Altersdurchschnitt Ihrer Belegschaft im gewerblichen Bereich liegt bei Ihnen gegenwärtig bei 51 Jahren. Was bedeutet das für Sie?

KF: Das ist eine Frage, der wir uns stellen müssen, wenn wir weiter erfolgreich am Markt bestehen wollen. Wir fragten uns: Wie kann man auch mit einem älteren Team leistungsfähig bleiben? Wie können wir den Arbeitsplatz so gestalten, dass Menschen auch mit 60 Jahren noch im gewerblichen Bereich bestmöglich arbeiten können?

Gab es Anzeichen dafür, dass sich etwas ändern muss?

KF: Der Krankenstand hatte sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Wir merkten, dass wir diesem Trend entgegen steuern müssen. Also setzten wir uns detailliert damit auseinander, was Gesundheitsschutz eigentlich alles beinhaltet. Wir sind uns heute darüber einig, dass aktiver Gesundheitsschutz neben Regelung der Arbeitszeiten und einer durchdachten Arbeitsplatzgestaltung auch die psychische Gesundheit umfasst. Um die genauen Handlungsfelder zu definieren, erstellten wir eine Studie, die auf einem Fragenkatalog für die Mitarbeiter basierte.

Welche Veränderungen folgten den Ergebnissen aus der Studie?

KF: Ein wichtiger Punkt ist, dass wir unsere älteren Arbeitnehmer jetzt sehr viel stärker in die Arbeitsorganisation mit einbeziehen. Zum Beispiel involvieren wir unsere Fahrer bei der Auswahl von neuen Fahrzeugen. So haben wir z.B. nach Abfrage der Mitarbeiterbedürfnisse solche LKW-Trailer beschafft, die ohne große körperliche Anstrengung in wenigen Sekunden geöffnet und geschlossen werden können. Zudem wünschten sich die Fahrer eine Standklimaanlage und für weite Touren einen Kühlschrank für ihre Lebensmittel an Board. Keine großen Sachen, aber mit diesen Extras wurden die Grundbedürfnisse der Fahrer viel stärker berücksichtigt.

Bei den Gabelstapler-Fahrern waren die Probleme anders gelagert. Ihnen kommt es im Wesentlichen darauf an, dass die Sicht gut ist und dass die Geräte leicht bedienbar sind. Dafür konnten die Fahrer mithilfe von Muster-Fahrzeugen Probe fahren. Und erst wenn die Stapler von den Fahrern selbst für gut befunden wurden, hat sie das Management eingekauft. Das dieses Konzept Erfolg hat, zeigt sich auch in Zahlen: Die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz liegt bei 89 Prozent.

Kleine Maßnahme – große Wirkung. Was schlussfolgern Sie aus diesen Erfahrungen?

KF: Das A und O für gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung ist die Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse. Relevante Entscheidungen, die einen Arbeitsplatz direkt betreffen, dürfen nicht am „grünen Tisch“ gefällt werden. Um kontinuierlich im Gespräch zu bleiben, führen wir nun wöchentlich Gruppengespräche durch. Hier kommen auch Fragen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zur Sprache. Darüber hinaus sensibilisieren wir unsere Mitarbeiter an speziellen Gesundheitstagen dafür, dass jeder etwas für seine eigene Gesundheit tun muss. Neben ausgewogener Ernährung gehören hierzu auch Sport und eine gesunde Pausenkultur. Und natürlich eine Balance zwischen Arbeit und Familie.

Ihre Branche unterliegt stark dem Zeitgeist. Wie gehen Sie damit um?

KF: Die Branche ist ständig im Wandel, daher bedarf es im Laufe der Jahre auch immer wieder Anpassungen und Strategiewechsel. Das wirkt sich natürlich auch auf das Arbeitsklima aus. Jede Umstrukturierung geht mit Neuerungen einher, die bei den Mitarbeitern auch eine gewisse Unsicherheit mit sich bringen. Viele reagieren vorsichtig, nicht alle begreifen den Wandel auch als Chance. Das ist immer wieder auch eine große Herausforderung für uns Führungskräfte: In Seminaren zum Thema Change Management eignen wir uns das notwendige Wissen an und setzen dieses gezielt in entsprechende Maßnahmen um, die den Veränderungsprozess begleiten und die Bedürfnisse der Mitarbeiter erfassen und ernst nehmen.

Was hat Ihnen das gebracht? Wie begleiten Sie heute anstehende Umstrukturierungen?

KF: Wir haben gelernt, mit der Gefühlskurve umzugehen. So ist es nicht ungewöhnlich, dass man erstmal in ein tiefes Loch fällt, wenn es um Umstrukturierungen geht, die den eigenen Arbeitsplatz betreffen. Es reagiert jeder anders auf die psychische Belastung. Der Eine zieht sich zurück, der nächste reagiert wütend. Andere wiederum begreifen den Wandel als neue Chance. Als Führungskraft ist mir bewusst, dass man aus dem Loch besser wieder heraus kommt, wenn Perspektiven sichtbar werden. Also bemühe ich mich, in Gesprächen ganz konkret Möglichkeiten aufzuzeigen.

Wie beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in Veränderungsprozesse mit ein?

KF: Für mich hat sich bewährt, die Mitarbeiter erst dann zu informieren, wenn die genaue Richtung bzw. Strategie klar ist. Sobald die Informationen über die Umstrukturierung bekannt sind, informiere ich das Team wöchentlich über den laufenden Prozess. Ich stelle mich auf den erhöhten Informationsbedarf ein und versuche, möglichst alle Fragen zu beantworten. Auch in Zukunft wird es bei uns immer wieder Veränderungen geben, da eine Anpassung an die aktuellen Bedingungen notwendig ist, um am Markt erfolgreich bestehen zu bleiben.

Stichwort gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung – was war für Sie ein Aha-Erlebnis?

KF: Ich habe für mich die Erkenntnis gewonnen, dass man bei sich selbst anfangen muss, bevor man bei gesundheitsgerechter Mitarbeiterführung ansetzt. Auch ich muss meine Ressourcen im Blick behalten. Interessant fand ich die Herleitung von Handlungsempfehlungen: Seit ich weiß, was mit meinem Körper bei Stress passiert, kann ich dem bewusst entgegensteuern. Seitdem bewege ich mich nach der Arbeit regelmäßig, um das Adrenalin im Körper abzubauen. Und als Gesundheitsprophylaxe ist mir meine tägliche halbe Stunde Mittagstisch in der Kantine heilig – übrigens für unser gesamtes Team.